Die Sonne scheint! Abmarsch
um 8.10 Uhr. Gleich vom Zeltplatz weg geht es recht steil durch stellenweise
sehr dichten Bambuswald bergauf. Der Aufstieg ist ungemein reizvoll. Immer
wieder erzwingen hübsche Blumen am Wegesrand einen Fotostop. Lichtungen
bieten lohnende Ausblicke, wobei über der fernen Wolkendecke mitunter
andere Bergmassive sichtbar werden. Nach etwa anderthalb Stunden verliert
sich der Wald. Zwischen den kräftigen Büscheln des Tussockgrases,
die jetzt die Landschaft beherrschen, steigt der Weg nur noch leicht an.
Irgendwann taucht die erste Lobelie auf und zieht unsere Aufmerksamkeit
auf sich. Helmuts Hinweis, dass wir davon noch hunderte sehen werden,
bleibt wirkungslos. Wieder einmal wird nach Kräften fotografiert.
Gegen Mittag überrascht uns nach einer kurzen Steilstufe der bereits
fertig hergerichtete Lunchplatz. Der heiße Tee tut gut. Der Himmel hat
sich zugezogen, Wolkenfetzen ziehen um uns herum und die Temperatur ist
auf 6 Grad gesunken. Nur für kurze Augenblicke hellt es sich beim
Weiterweg, der über einen begrasten Felsrücken führt, auf.
Bereits gegen 14.00 Uhr steigen wir von einer weiten Hochfläche zum
unscheinbaren Thego River ab, nach dessen Überquerung wir das Lager
erreicht haben. Bald setzt Regen ein, der bis 17.30 Uhr anhält. Bei
diesen Verhältnissen fällt es schwer, den Schlafsack zur Teestunde
zu verlassen. Immer noch plagen mich die Begleiterscheinungen einer von
zu Hause mitgebrachten Erkältung: Ich habe Kopfschmerzen, Schmerzen
im Oberkiefer und ein schmerzhaftes Ziehen im Nacken. Dazu gesellt sich
Halskratzen. Tagsüber beim Wandern ist das alles nicht so wild, doch
am Nachmittag setzt sich die Nase zu und auch die auch restlichen Symptome
leben wieder auf. Wie an den Vortagen bekämpfe ich die ganze Pest
mit Nasenspray, Schleimlöser (Acetylcystein) und Halslutschtabletten
(Dorithricin); die vom Nasenspray gestressten Nasenschleimhäute bekommen
Nasensalbe. Es wird allmählich Zeit, dass das was hilft.
Schon früh streckt die
Nacht ihre kalte Hand nach uns aus und so scharen wir uns schließlich
bis zum Abendessen um ein Lagerfeuer, das jedenfalls eine Körperseite
wärmt. Das Menü besteht diesmal aus Ochsenschwanzsuppe, Hähnchen
mit Kartoffeln und Gemüse sowie Vanillecreme mit Banane als Nachtisch.
Ich kann sogar mit Genuss essen, weil die feuchtwarme Luft im Küchenzelt
auf meinen Kopf die befreiende Wirkung eines Dampfbades hat.
Unser Zeltplatz liegt auf
etwa 3000 m Höhe. Da wir die nächste Nacht bereits auf über
4200 m verbringen werden, hält Helmut in der abendlichen Runde einen
kurzen Vortrag über Akklimatisation und Höhenkrankheit. Mehr
vorbeugend, denn bis jetzt scheint niemand Höhenbeschwerden zu haben.
Der Tee nach dem Essen verfehlt
auch diesmal seine Wirkung nicht und so kann ich nachts um zwei den bis
dahin prächtigsten Sternenhimmel meines Lebens bewundern. Hoch über
mir steht der Orion. Es gibt nicht den leisesten Zweifel, wo sich der
Orionnebel befindet. Die Milchstraße ist ein eindrucksvoll leuchtendes
Band und bis zum Horizont herab lässt die Sternendichte nicht nach.
Selten hat es sich so gelohnt, nachts das Zelt verlassen zu müssen.
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