Nach dem Frühstück
kontrolliere ich meine Seesäcke zum letzten Mal. Einer wird direkt
nach Tansania gebracht werden, der andere ist für die Träger
bestimmt und darf nicht mehr als 10 kg wiegen. Zwei Frauen überprüfen
noch am Gästehaus das Gewicht des Gepäcks mit einer Federwaage.
Auspacken muss keiner was, andererseits wiegt aber auch kaum ein Seesack
nennenswert unter 10 kg.
Um 8.45 Uhr brechen wir nach
Rongai auf, das unmittelbar hinter der Grenze in Tansania liegt. Die Straße
ist unbefestigt, schmal und kurvig und oft zentimeterhoch mit staubfeiner
Erde bedeckt. Stellenweise ist diese an eine Schmugglerroute erinnernde
Nebenstrecke so steil, dass die Wagen bei Nässe wohl kaum eine Chance
hätten, die Steigung zu bewältigen. Rongai ist ein unscheinbarer
Grenzort, in dem der Hund begraben ist. Den Grenzposten findet man nur,
wenn man weiß, in welcher Hütte er sich verbirgt. Etwa eine
halbe Stunde benötigt der Grenzer, um die Pässe durchzusehen
und abzustempeln, wir können derweil bei den Wagen bleiben.
Nur wenige Autominuten weiter
erreichen wir den Ausgangspunkt für unsere Kibo-Besteigung. Wieder
bildet eine unscheinbare Bretterbude den Außenposten einer bürokratischen
Organisation, in diesem Fall der Nationalparkverwaltung. Hier muss
jeder seine persönlichen Angaben in eine Liste eintragen, Angaben,
zu denen natürlich einmal mehr die Reisepassnummer gehört. Für
eine weitere Afrika-Reise sollte man sich die zehn Ziffern auf den Unterarm
tätowieren lassen!
Unsere Begleitmannschaft besteht
aus über 30 Leuten, deren Ältester mit 67 Jahren unser Führer
William ist. Nachdem am Mount Kenia der weitaus jüngere Alex meine
diffusen Vorstellungen von einem afrikanischen Bergführer geformt
hatte, habe ich jetzt einige Schwierigkeiten, in dem hageren, alten William,
der sich liebend gerne fotografieren lässt, den Mann zu sehen, der
uns zum Uhuru-Peak führen soll. Aber ich habe ja mehrere Tage Zeit,
mich an diese Vorstellung zu gewöhnen. William wird bei seiner Aufgabe
von drei Assistant-Guides unterstützt, die alle einen symphatischen
Eindruck machen.
Mit dem Ruf "Follow William"
gibt Helmut um 10.20 Uhr das Signal zum Aufbruch. Das erste Stück
des Weges führt an Feldern vorbei, an deren Rändern verstreut
unglaublich armselige Behausungen stehen. Anscheinend ist man hier dabei,
die Nordroute auf den Berg, die auch im Hauser-Prospekt nur als "Rongai-Route"
bezeichnet wird, touristisch aufzuwerten. Es gibt Hinweisschilder und
Wegweiser, die offensichtlich ziemlich neu sind und unseren Anstieg als
"Nalemoru-Route" ausweisen. Während der ersten Stunde gibt
es Staub ohne Ende, was sich erst beim Erreichen des nur sehr schmalen
Waldgürtels bessert, der hier im Norden den Kilimandscharo umsäumt.
Im Gegensatz zum Staub scheint Wasser allerdings Mangelware zu sein. Erst
nach etwas mehr als drei Stunden überqueren wir ein bescheidenes
Rinnsaal, dessen Bachbett von wasserreicheren (Jahres-)zeiten zeugt, die
Helmut, wie er erzählt, hier auch schon erlebt hat.
Unmittelbar darauf erreichen
wir um 13.30 Uhr das Simba-Camp (ca. 2.830 m), einen von niedrigen Büschen
umstandenen Zeltplatz, der einen freien Blick auf Kibo und Mawenzi bietet.
Nur als ganz schmaler, fast enttäuschend schmaler Saum am Kraterrand
zeigt sich von hier aus die Vergletscherung des Gipfels, ansonsten ist
der Berg völlig schneefrei. Das sonnige milde Wetter lädt zum
Verweilen im Freien ein. Leider ist es keine gute Idee, unter der Äquatorsonne
ein Nickerchen auf dem Boden zu machen, denn das hier ursprünglich
vorhandene Gras ist weitgehend dem erdig-staubigen Untergrund gewichen,
der uns schon auf dem Weg hierher begleitet hat.
Die Zeltreißverschlüsse
machen bei unserem Zelt einigen Ärger. Sie sind hakelig, nur mit
heftigem Gezerre zu betätigen und schließen unzuverlässig.
Obwohl es sich um die gleichen Zeltmodelle wie auf der Mount Kenia - Etappe
handelt, sind diese hier, und ganz besonders unseres, in einem schlechteren
Zustand, was auch an den staubigen Einsatzorten liegen mag.
Irgendwann am Nachmittag kreuzt
ein Bediensteter der Nationalparkverwaltung auf, der eine Liste aller
Teilnehmer und natürlich - ihrer Reisepassnummern aufstellt. Die
Aktion dauert nicht lange, denn niemand muss das Küchenzelt verlassen,
um die begehrte Ziffernfolge nachzuschlagen. Bald schon kann der Mann,
mit einigen Phantasiezahlen auf seiner Liste, das Lager wieder verlassen.
Die Teestunde können
wir an einem Tisch im Freien verbringen. Eingedenk des Hinweises, keinesfalls
weniger als vier Liter pro Tag zu trinken, kippe ich einen Becher Tee
nach dem anderen mich hinein. Beim Abendessen werde ich dafür um
so zurückhaltender sein, schließlich ist ein ungestörter
Nachtschlaf ein kostbares Gut. Gegen 18.00 Uhr rücken wir in das
Küchenzelt ein. Ich nehme dankbar zur Kenntnis, dass wir nicht am
Boden sitzen müssen, sondern auf Klapphockern Platz finden, die die
Mannschaft mitgeschleppt hat. Eine blendende Idee, die die Kenianer übernehmen
sollten. Wir lassen uns Champignoncremesuppe und gebackenes Fischfilet
mit Mangold schmecken
Zeitig suche ich meinen Schlafsack
auf.
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